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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 17.06.2012


Die Wohnung. Ein Film von Arnon Goldfinger. Kinostart: 14. Juni 2012
AVIVA-Redaktion

Eine Spurensuche in Israel und Deutschland. Eine Wohnung in Tel Aviv, ein Stück Berlin mitten in Israel. 70 Jahre lang hat Gerda Tuchler hier mit Ehemann Kurt gelebt, nachdem sie aus Deutschland ...




... fliehen mussten.

Als sie mit 98 Jahren stirbt, trifft sich die Familie zur Wohnungsauflösung und macht eine unglaubliche Entdeckung.
Inmitten von Geschirr, eleganten Handschuhen, antiken Möbeln finden sich auch unzählige Briefe, Fotos und Dokumente, durch die eine der Familie völlig unbekannte Vergangenheit der Verstorbenen sichtbar wird: Die Großeltern waren eng befreundet mit der Familie des SS-Offiziers Leopold von Mildenstein.
Der Enkel und Filmemacher Arnon Goldfinger macht sich zusammen mit seiner Mutter auf eine schmerzhafte Spurensuche. Gemeinsam stellen sie sich den Kisten, dem Staub, den Antiquitätenhändlern, der Familie, vor allem aber der Vergangenheit und Gegenwart, Verdrängung und Wahrheit.

Nicht nur in Israel begeben sie sich auf ihrer Reise in die Geschichte, auch in Deutschland recherchieren sie Stück für Stück und setzen so ein Mosaik der Geschichte von Gerda und Kurt Tuchler zusammen, die schließlich auch zu ihrer eigenen wird.

Im Zuge des Zusammentreffens mit der Tochter von Mildensteins, die im Übrigen bis heute fest davon überzeugt ist, ihr Vater sei ein harmloser Nazi gewesen, erfahren die Tuchlers und mit ihnen die ZuschaurInnen auch vom "Haavara-Abkommen".

Arnon Goldfinger über seinen Film
"Der Film entwickelt seine Geschichte wie ein Detektivfilm. Insofern sollte man nicht allzu viel vorab verraten.
In Israel waren die Menschen, die ihn ihren Freunden empfehlen wollten, peinlich darauf bedacht, nur das Nötigste über seine Geschichte zu erzählen.
Wenn ich einen Film mache, bin ich darauf gefasst, dass mich das über einen langen Zeitraum beschäftigen wird. Jeden Stein muss ich umdrehen, jeden Flecken Erde umgraben. Ich weiß genau, dass das etwas in mir auslösen wird, der Prozess des Dokumentarfilmemachens geht ja nicht spurlos an einem selbst vorüber.
An DIE WOHNUNG habe ich fünf Jahre gearbeitet. Nebenher gab ich Kurse im Drehbuchschreiben – für Spielfilme, denn das ist ein guter Ausgleich: das Überraschende und oftmals Chaotische des Lebens mit dem Bedürfnis zu verbinden, eine Geschichte zu erzählen.
Zunächst dachte ich ja, dass die Eigenart meiner Familie, über die Vergangenheit kein Wort zu verlieren, einzigartig sei. Doch seit der Film gezeigt wird, sehe ich, dass Menschen ihn mit Fragen an ihre eigenen Eltern verlassen, die sie offensichtlich nie gestellt haben. Oder dass andere sich darüber bewusst werden, ihren Kindern bisher wichtige Dinge verschwiegen zu haben. Das hat für einige Gespräche zwischen den Generationen gesorgt.
Die Wohnung meiner Großeltern hatte immer eine besondere Bedeutung für mich. Ich wollte darin drehen, bevor sie aufgelöst würde und die Welt, die darin konserviert war, für immer verschwunden wäre. Ein Kameramann kam dazu und wir hielten die Dinge der Wohnung fest, ohne daran zu denken, dass irgendetwas Wichtiges zum Vorschein kommen könnte. Und dann, nach und nach, machten wir in dieser Wohnung Entdeckungen. Das wurde immer beunruhigender. Die Nachforschungen bekamen eine eigene Dynamik und neue Charaktere tauchten auf, völlig unerwartet für uns. Auch das Filmteam wurde größer und plötzlich war das Projekt eine deutsch-israelische Koproduktion. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass der Film, während er entstand, nicht aufhörte, mich zu überraschen und zu verändern."


Zum Filmemacher: Arnon Goldfinger, geboren 1963 in Ramat Gan, studierte an der Tel Aviv University Film School und arbeitet seit 1992 als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Er unterrichtet Regie und Drehbuch an der Tel Aviv University Film School sowie an der Sam Spiegel Film School in Jerusalem und arbeitete als Lektor für israelische Filmförderungen.
Für seine Filme THE KOMEDIANT und DIE WOHNUNG erhielt er in den Jahren 2000 und 2011 den Israelischen Filmpreis.

Filmkritiken zum israelischen Kinostart

"Arnon Goldfingers zauberhafter Film DIE WOHNUNG ist einer der verblüffendsten und wichtigsten Dokumentarfilme, die in den letzten zehn Jahren in Israel entstanden sind. Nicht nur wegen seiner unglaublichen Geschichte, seiner feinen Erzählweise, oder seiner perfekten Form, sondern vor allem auch wegen der Komplexität seiner Themen und den Emotionen, die er in den Zuschauern hervorruft."
Yehuda Stav, Yediot Aharonot

"Goldfinger bringt die Leinwand zum Leuchten, schickt uns auf eine aufregende Reise und präsentiert uns in bewundernswürdiger Art und Weise eine hochkomplexe Erzählung. Wie bei einer Zwiebel wird sorgsam Schicht um Schicht freigelegt. Ein beeindruckender Film, raffiniert und mitreißend."
Meir Schnitzer, Ma´ariv

"Dramatische Szenen, vollgesogen mit Ironie, wie sie nur ein außergewöhnlich talentierter Drehbuchschreiber oder eben die Realität (mithilfe eines klugen Dokumentarfilmers) mit solcher Präzision schreiben kann!
Das aufgeladene Drama gegenseitiger Verdrängung in einem spannenden Dokumentarfilm, punktgenau und bewegend inszeniert, voller überraschender und ehrlicher Einblicke, die einem bisher verwehrt waren."
Yael Shuv, Time out Tel Aviv

"Eine unscheinbare Wohnung wird zu einer Menschen und Nationen ergreifenden Geschichte. Ein wichtiger und faszinierender Film."
Shmulik Duvdevani, Ynet

Awards:
"Bester Dokumentarfilm" Ophir Award
"Beste Dokumentarfilmregie" Jerusalem International Film Festival
"Beste Recherche, Beste Regie, Bester Dokumentarfilm" Israeli Documentary Forum
"Bester Dokumentarfilm" Bayerischer Filmpreis
"David A. Stein Memorial Award" Toronto Jewish Film Festival


Die Wohnung (Hadira)
DE/IL 2011, 97 Minuten, deutsche Fassung, z.T. dUT
Buch und Regie: Arnon Goldfinger
Produzenten: Thomas Kufus, Arnon Goldfinger
Schnitt: Tali Halter Shenkar
Kamera: Philippe Bellaiche, Talia (Tulik) Galon
Ton: Amos Zipori
Recherche: Mareike Leuchte, Franziska Lindner, Arnon Goldfinger
Musik: Yoni Rechter
Sprecher der deutschen Fassung: Axel Milberg

Eine Koproduktion von zero one film und Arnon Goldfinger mit ZDF, SWR, Noga Communications / Channel 8 in Kooperation mit Arte, gefördert durch FFA, Medienboard Berlin-Brandenburg, DFFF, New Israeli Foundation for Cinema and Television
Im Verleih der Edition Salzgeber

Kinostart: 14. Juni 2012
Weitere Infos unter: www.die-wohnung-film.de


Weitere Informationen:
Axel Meier, "Das Haavara-Abkommen"
www.zukunft-braucht-erinnerung.de

(Quelle: Edition Salzgeber, Axel Meier - Shoa.de)


Kunst + Kultur

Beitrag vom 17.06.2012

AVIVA-Redaktion